Autor: Wolfgang Engel
Es gibt diese Geschichte aus der Saison 70/71, sie ist in Willi Lüdekings Eishockeybuch überliefert: TSV Straubing gegen die Düsseldorfer EG II, Aufstiegsrunde zur 2. Liga. Zum ersten Mal überhaupt ist der Pulverturm ausverkauft, über 3 000. Ein Straubinger wird benommen vom Eis geführt, und das Publikum brüllt nach Platzverweis und Elfmeter.
Ich liebe diese Geschichte. Bis dahin war Straubing eine Fußballstadt. Elf Jahre spielten die Fußballer in der zweiten Liga, vor bis zu 10 000 im alten TSV-Stadion gegen Bayern, Sechzig und den Jahn. Aber nach der Saison mit den „Elfmeter!“-Rufen war die Eishockeyabteilung in der Zweiten Liga. Und auch, wenn es zunächst nur für zwei Jahre war: Straubing war jetzt eine Eishockeystadt.
Es ist eine Liebe über Generationen. 50- und 60-jährige Menschen bekommen heute noch strahlende Augen, wenn sie erzählen dürfen, wie es damals war, als auf dem Heimweg plötzlich ein Auto neben ihnen hielt und Bob und Robin Laycock sie fragten, ob sie sie ein Stück mitnehmen sollen. Oder wie das damals mit Doug Kirton im Peaches war, und wie viele Apfelschorle genau der junge Andy Lupzig nach dem Training im Gala am Stück getrunken hat, es waren übrigens fünf.
Ein kleiner Standort bewahrt solche Geschichten, weil es an kleinen Standorten unzählige Menschen gibt, die eine sehr persönliche Beziehung entwickeln, zum Club, zum Stadion, zu den Spielern. Es muss nur einer an Günter Lupzigs Geburtstag „Oans, zwo, drei!“ bei Facebook posten, dann schreiben Menschen haufenweise „Gei Gei, Gei!“ drunter. Das ist doch wunderbar.
Dieser kleine, kaum 50 000 Einwohner große Standort hat etwas Erdiges. Fans und Spieler kennen sich, man spricht und lacht miteinander. Ein Kölner Spieler hat einmal erzählt, wie vor einem Gastspiel in Straubing plötzlich ein Auto neben ihm stoppte und der Fahrer „heid griagts a Klatschn, aber a richtige!“ rief. In Köln, sagte der Spieler, hätte ihn keiner erkannt. Und da ist dieses Stadion, dieser Pulverturm. Im Grunde fehlt jeder Chic: zusammengestückelt in 60 Jahren, hier eine Tribüne aus den 70ern, dort aus den 90ern, und Kabinen gibt’s auch, nur halt nicht genug; aber das wird schon noch.
Das ist nicht wie Düsseldorf, das mit dem Weggang von der Brehmstraße ein bisschen seine Seele verloren hat, und nicht wie Ingolstadt, das als Stadt drei Mal so groß und hochmodern ist, aber nur zwei Drittel der Straubinger Zuschauerzahl hat. Landshut, Regensburg, alles moderner, alles eigentlich stärker. Durchgesetzt hat sich Straubing, mit diesem Stadion, das so unendlich laut werden kann.
Wahrscheinlich ist auch dieses Stadion ein Grund für diese Verbundenheit. Man kann sein Herz daran hängen, besser als an eine moderne Arena mit Plastiklärm wie in Nürnberg. Der Pulverturm ist echt, sehr lebendig, irgendwie wild. Unser Herz hängt an ihm. Und weil das so ist, geht Eishockey in Straubing nie unter. Oft waren Krisen, oft waren Pleiten, oft fehlten Siege, oft fehlte Geld. Aber weil immer Herz spürbar war, hat sich immer eine Lösung gefunden.
Irgendwann war buchstäblich jedem in Straubing klar: Straubing und Hockey, das ist etwas Bleibendes. Das ist der Grund, warum irgendwann Straubinger Unternehmer gesagt haben: Eishockey und Straubing, daraus lässt sich etwas machen, etwas mit Ambition. Etwas, das überregional strahlt, und zugleich als Jugendsport attraktiv ist. Sie haben ein System entwickelt, das anderswo auch versucht wird: Die Tigers GmbH mit vielen Gesellschaftern aus der Wirtschaft, der EHC als Amateur-Unterbau und Ausbildungsclub. Ja, anderswo gibt es das auch. Aber nicht so.