Powerplay | Saison 2023/24 | Ausgabe 8

Straubing Tigers  www.tigershockey.de |  23 Powerplay  Medizinische Abteilung im Fokus Zum Stereotypen eines Eishockeyspieler gehört die Zahnlücke dazu. Gehören ausgeschlagene Zähne ganz einfach zum Berufsrisiko – oder sogar ein Stück weit zur Eishockey-Kultur? In diesem Sport besteht natürlich ein gewisses Risiko, dass es zu Zahnverletzungen kommt. Bezüglich des Umgangs damit besteht in meinen Augen eine interkontinentale Differenz: Während nordamerikanische Eishockeyspieler die Frontzahnlücke etwas martialisch, gewissermaßen als Trophäe sehen und eher die provisorische Versorgung wün- schen, ist es für europäische Spieler schon eher wichtig, dass abgebrochene Zähne relativ schnell wieder in Ord- nung kommen; sie wünschen sich normalerweise sofort eine endgültige Versorgung. Aus Deiner Erfahrung heraus: Wie häufig sind Zahn- verletzungen im Eishockeysport? Welche Zahnver- letzungen sind typisch und wodurch/wobei entste- hen sie? Diese Verletzungen passieren typischerweise nach einem Treffer mit dem Schläger oder durch Kontakt mit einem Körperteil des gegnerischen Spielers. Übrigens nicht nur im Spiel, sondern auch während des Trainings. Gott sei Dank seltener sind Treffer mit dem Puck im Gesichtsbereich oder Bandenkontakt, weil da wirklich üble Verletzungen entste- hen können. Die häufigste Verletzung ist, dass irgendwo ein Stück vom Zahn abbricht. Teilweise aber auch Wurzel- frakturen, also dass ein Zahn in zwei Teile bricht - oder ein komplett ausgeschlagener Zahn. Da bin ich wiederum froh über meine erworbene Zusatzausbildung, denn wenn man bis vor ein paar Jahren noch gesagt hätte, dass der Zahn verloren ist, gibt es mittlerweile durchaus Möglichkeiten, diesen zu retten und mit einem möglichst natürlichen Me- dium langfristig zu erhalten. Häufig kommen auch Weich- gewebsverletzungen, also Cuts in Form von gesprungenen oder eingerissene Lippen vor. Diese werden aber auch di- rekt von den Teamärzten behandelt. Wie ist der Ablauf, wenn eine Zahnverletzung auf- tritt? Spuckt der Spieler den Zahn aus und spielt weiter? Und um die richtige Behandlung und die Ästhetik kümmert man sich sowieso erst nach der Karriere? Pauschal kann man das zwar eigentlich nicht beantwor- ten, aber wenn es irgendwie geht und zu verantworten ist, will der Spieler schnellstmöglich weiterspielen. Um die richtige Behandlung kümmert man sich normalerweise im Anschluss. Bei den Nordamerikanern ist die klassische Aussage „after career“. Das deckt sich mit der Einstellung, die vorher schon kurz angeklungen ist. Manche Behandlung vor Ort scheitert auch schlichtweg daran, dass man eine Assistenz benötigt … es ist da aber auch schon vorgekom- men, dass anschließend der eine oder andere Mitspieler diese Rolle übernommen hat, was durchaus zu lustigen Situationen geführt hat (lacht). Wie können sich Eishockeyspieler bestmöglich schützen? Der bestmögliche Schutz wäre wohl das Vollvisier – wobei ich als ehemaliger Spieler absolut nachvollziehen kann, dass man nicht mit Vollvisier spielt, da sich dadurch Einschrän- kungen in Sicht und Atmung ergeben. Außerdem birgt auch das Gitter ein gewisses Verletzungsrisiko, denn wenn so ein Helm verrutscht, kann das zu Verletzungen an der Nase oder im Halsbereich führen. Auch der Mundschutz birgt Nachteile, da er relativ wuchtig gebaut werden muss, um richtig schützen zu können. Dann leidet wieder die Atmung und auch die Kommunikation der Mitspieler untereinander, da man ganz einfach schwerer zu verstehen ist. Daher muss man einen Mittelweg zwischen möglichst gutem Schutz und möglichst wenig Behinderung wählen. Wir fertigen die Mundschutze nach einem Gebiss-Scan individuell im Labor an – und können dank Digitalisierung im Bedarfsfall auch immer wieder darauf zugreifen und kurzfristig einen neuen anfertigen, wenn beispielsweise der Mundschutz in der Wäsche mit gewaschen oder vom Hund zerbissen wurde … das ist alles schon vorgekommen und wir haben da schon die lustigsten Stories erlebt (lacht).

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