Von der Landesliga in die zweite Bundesliga

Dienstag, 22. Februar 2022
22.02.2022

Am 18. November 1967 begann in der Straubinger Eishockeygeschichte mit der Eröffnung des Kunsteisstadions eine neue Zeitrechnung. Josef Krönner spielte noch eine Saison im neuen Stadion, ehe er 1968 nach 18 Jahren seine Karriere beim TSV Straubing beendete. Dem Eishockeysport blieb Krönner, der noch heute mit der Nummer 4 Mitglied beim EHC Straubing ist, verbunden. Dies zeigte sich etwa 1969, als der TSV Straubing in eine existenzgefährdende Krise geriet: Der Schwung nach dem Stadionbau war rasch verflogen. Sportlich lief es schlecht für die Landesligamannschaft, es kamen nur noch wenige hundert Zuschauer und in der Kasse waren lediglich 250 DM, weil versprochene Zuschüsse des Freistaats Bayern und des Landessportverbands für den Stadionbau ausgeblieben waren. Josef Krönner fuhr daraufhin mit Hans Ebenburger und Erich Hornauer in die Tschechoslowakei, um einen Star für die Mannschaft zu verpflichten, der die Zuschauer wieder ins Stadion lockte. In Pilsen wurde man sich mit dem mehrfachen tschechoslowakischen Nationalspieler Zdenek Haber einig. Anschließend fuhr die Straubinger Delegation nach Prag, um die erforderliche Erlaubnis des Ministeriums einzuholen. Spieler ab 33 Jahren durften zwar grundsätzlich ins kapitalistische Ausland wechseln, aber das Ministerium wollte dafür Geld: „Die wollten für Haber 1.000 DM pro Saison sehen“, erzählt Krönner. „Aber wir hatten ja nichts mehr in der Kasse. Wir haben dann trotzdem unterschrieben und Haber einfach mitgenommen. Zdenek hat in jedem Spiel sechs bis acht Tore geschossen. Der hat sich hinter dem eigenen Tor die Scheibe geholt, hat alle ausgespielt und das Tor gemacht. Der war eine Sensation und hat alle Mitspieler mitgerissen. Die Zuschauer sind wieder gekommen, die Kasse stimmte und die 1.000 DM konnten wir auch bezahlen.“ Am Ende der Saison wurde Straubing zwar nur Zweiter der Landesliga, schaffte aber als Nachrücker für den insolventen VER Selb dennoch den Aufstieg in die Regionalliga. 

Allerdings wurde Habers Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängert und er musste zurück in die Tschechoslowakei, wo er später sogar Präsident des tschechoslowakischen Eishockey-Verbandes wurde. Doch vor seinem Abschied empfahl er den Niederbayern seinen alten Freund Jiri Wabnegger als Ersatz, der wiederum den Verteidiger Bohumil Kratochvil mitbrachte. Wabnegger schlug beim TSV Straubing sogleich ein wie eine Bombe, wie sein damaliger Teamkollege Albert Meier (ehemals Albert Christoph) erzählt: „Das war ein Techniker! Da konnte Haber auch nicht hin. Der hat nicht auf sich geschaut, sondern auf seine Nebenspieler. Wie viele Tore er selbst gemacht hat, war ihm egal, aber seine Nebenleute waren regelmäßig die besten Torschützen. Der hat dir den Puck richtig aufgelegt.“ Wabnegger spielte überragend. Er war trickreicher Spielgestalter und Torjäger in einem. Technisch und läuferisch war er eine Schau und wurde für seine Bauerntricks gefeiert. Faustkämpfe und Checks waren dagegen nicht seine Welt. Wenn es ruppig auf dem Eis wurde, übernahm sein Mannschaftskamerad Gerhard Seiberl.

Gleich im ersten Jahr mit Wabnegger gelang der Aufstieg in die Oberliga und man verbesserte sich von Saison zu Saison. 1973/74 kam der TSV Straubing mit den Ausländern Esa Ranne und Bo Carlquist auf den zweiten Platz der Hauptrunde. Bei den folgenden Aufstiegsspielen gab Günter Lupzig sein Debüt in der ersten Mannschaft, die am Ende Dritter der Liga wurde. 1974 stießen Terry Robitaille und Lei Hartvikson neu zum Team. Mit einem sensationellen Finalsieg über den alten Rivalen aus Regensburg wurde Straubing Deutscher Oberligameister und stieg damit in die zweite Bundesliga auf. 

Hier ging es dann erstmal nur darum, nicht gleich wieder abzusteigen, was am Ende der Saison 1975/76 nur deshalb gelang, weil die Liga von zehn auf zwölf Vereine aufgestockt wurde. Im Jahr darauf konnte sich Straubing aber unter Trainer Jiri Hanzl in der zweiten Bundesliga etablieren. Maßgeblichen Anteil daran hatte der neue Führungsspieler des Teams: Paul Dixon. Der offensivstarke Verteidiger mit dem Spitznamen „Hammer“ glänzte mit toller Spielübersicht, aber auch mit seiner Bärenkondition. Denn der „Mann mit der Pferdelunge“ blieb während eines Spiels in der Regel über 50 Minuten auf dem Eis. 

In der Saison 1977/78 verfehlte Straubing um einen einzigen Punkt die Aufstiegsrunde. Heiß her ging es insbesondere in der Abstiegsrunde, wo es beim Heimspiel gegen München – ausgelöst durch ein Foul eines Oberbayern an Günter Lupzig – zu einer Massenschlägerei kam, an der außer Wabnegger und dem Münchner Torwart sämtliche Spieler teilnahmen. Einige Straubinger Fans wollten da nicht untätig zuschauen, sondern zerrten einen Münchner Spieler über die Bande in die Zuschauerränge. Er musste von Dixon und dessen Teamkollegen Bill Horton „gerettet“ werden, die ihn an den Beinen wieder zurück auf das Eis zogen. 

1978/79 wurde mit Rudi Hejtmanek ein neuer Trainer verpflichtet, der zudem aus Landshut das Trio Christian Vogl (Vater von Tigers-Torhüter Sebastian Vogl), Wolfgang Dylla und Michael Eibl mitbrachte. Außerdem verpflichtete er mit Bob Laycock einen überragenden Kanadier. Dafür kehrte Paul Dixon von Heimweh geplagt wieder nach Kanada zurück. Angeführt von Bob und den Lupzig-Brüdern Günter und Peter erreichte Straubing mit dem vierten Tabellenplatz das beste Ergebnis aller Zeiten. Am Ende der Saison beendete Wabnegger, den sein kanadischer Mitspieler Bill Horton als „Seele des Teams“ bezeichnete, mit 39 Jahren seine aktive Karriere und mit ihm auch sein „Bodyguard“ Gerhard Seiberl. Wabnegger prägte aber weiter die Jugendarbeit des TSV, später EHC Straubing. Ob Georg Franz, Günter Lupzig, Ulli Voll, Wolfgang Gruber, Christian Penzkofer, Gert Heubach, Andreas Doll, Peter Zankl oder auch Andy Lupzig: Immer wieder schafften es junge Spieler mit seiner Unterstützung in den Seniorenbereich. 2002 verstarb der frühere Edeltechniker und seit 2008 hängt sein Banner an der Ostseite des Stadions und seine Rückennummer 4 wird nicht mehr vergeben. 

In der Saison 1979/80 kam Bobs Bruder Robin ebenfalls nach Straubing und der TSV wurde zum „TSV Laycock“. Am Ende der Saison wurde das Team um Kapitän Christian Vogl Dritter. Im Laufe der Saison machte in Straubing aber auch ein junger Torhüter auf sich aufmerksam. Denn zur Saisonmitte verdrängte der junge Peter Zankl den altgedienten Hans Hutterer im Straubinger Tor. Zankl hatte schon in der Vorsaison auf dem Sprung in die erste Mannschaft gestanden, verletzte sich dann aber bei einem Motorradunfall schwer. Im Dezember 1979 setzte sich Zankl endgültig als Stammtorhüter durch und wurde zum zweitbesten Torhüter der Liga gewählt. Zur Saison 1980/81 stand er dann von Anfang an im Straubinger Tor. Zunächst hatte die Mannschaft unter Trainer Vladimir Cechura jedoch mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Trotz der Laycock-Brüder war der TSV nur im unteren Tabellendrittel zu finden. Erst als Ex-TSV-Verteidiger Paul Dixon Cechura an Weihnachten 1980 als Trainer ablöste, startete der „TSV Laycock“ durch. Dem Kanadier gelang es schnell, mit seiner lockeren, aber dennoch konsequenten Art, seinen Trainingsmethoden und seinem taktischen Verständnis den Spielern neue Impulse zu geben. In einer fast beispiellosen Aufholjagd gelang es Dixon, mit seinem Team noch den vierten Platz in der zweiten Bundesliga zu erreichen. Der Sport-Kurier titelte damals: „Dixon kam, sah und siegte!“.

Am Ende der Saison 1980/81 verließen die Laycock-Brüder Straubing und der erst 20-jährige Zankl war ebenfalls nicht mehr in Straubing zu halten. Er wechselte zum Erstligisten Bad Nauheim. Auch Dixon verließ den Verein, weil er den Eindruck hatte, dass ihn die Vorstandschaft bei den Vertragsverhandlungen finanziell über den Tisch ziehen wollte. 

Die Spielzeit 1981/82 geriet sportlich und finanziell zu einem Krisenjahr. Nach endlosen Streitigkeiten mit der Vorstandschaft des Stammvereins TSV Straubing wurde die Eishockeyabteilung selbständig und trat nun erstmals als EHC Straubing an. Doch der sportliche Erfolg blieb aus. Nach wenigen Saisonwochen wurde Trainer Kurt Schloder von Bob Jastremsky abgelöst, was jedoch auch keine Besserung brachte. Als in Straubing schließlich das Geld knapp wurde, wechselten mehrere Spieler nach Deggendorf. Am Ende war man in Straubing froh, wenigstens in den Relegationsspielen gegen Oberligisten die Zugehörigkeit zur zweiten Bundesliga sicherstellen zu können. Am Ende der verkorksten Saison tauschte der EHC die halbe Mannschaft aus und galt mit seinen vielen neuen Spielern sogar als Geheimfavorit. Unter dem hoch gehandelten neuen Trainer Mike Daski kam ein frischer Wind nach Straubing. Daski achtete erstmals auf die Ernährung seiner Spieler und machte mit ihnen ein spezielles Gleichgewichtstraining – Dinge, die heute selbstverständlich sind. Allerdings ging es in der Kabine nicht immer harmonisch zu, wie etwa der gebürtige Straubinger Achim Sipmeier zu spüren bekam. Dass sich Spieler und Trainer auch mal in die Haare geraten, kommt sicherlich immer wieder einmal vor. Dass aber ein Spieler aufgrund seines Bartes suspendiert wird, ist wohl einzigartig. Schließlich ist heutzutage ein Play-off-Bart Pflicht – je länger, desto besser! Mike Daski sah das offenbar anders, denn er schickte seinen damals 18-jährigen Spieler Sipmeier wegen seines Drei-Tage-Bartes kurzerhand nach Hause: „Er kam zu mir und sagte: `Du musst dich rasieren.´ Als ich mich geweigert habe, hat er mich nicht mehr aufs Eis gelassen, sogar die Kabine durfte ich nicht mehr betreten. Ich hatte praktisch Stadionverbot. Er hat das mit der erhöhten Verletzungsgefahr begründet, obwohl ein Bart bei einem Schuss doch höchstens dämpfen würde“, erzählt Sipmeier heute. Der Erfolg mochte sich trotz (oder wegen?) derartiger Maßnahmen dennoch nicht einstellen. Bereits im Oktober stand statt ihm Jiri Wabnegger an der Bande, der am Ende noch den siebten Platz erreichte. Doch der EHC hatte sich finanziell übernommen, musste Konkurs anmelden und einen Neuanfang in der Bayernliga starten. 

Dr. Markus Retzer

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