Torhüter und ihr steiniger Weg
Dass Torhüter eine ganz besondere Spezies sind, ist eine nicht ganz neue Erkenntnis. Sie haben eine andere Ausrüstung und eine sehr spezielle Aufgabe im Spiel. Viele Trainingsinhalte sind anders und sie müssen in der Regel auch neben dem Eis mehr arbeiten – darunter auch Konzentrations- oder Augenübungen durchführen. Viele Goalies trainieren die Hand-Augen-Koordination mit Jonglieren und haben fast übermenschliche Reflexe, daneben machen sie Yoga und spezielle Übungen, um ihren Körper flexibel zu halten. Goaliecoach Manuel Litterbach beschreibt: „Der Tormann muss der beste Schlittschuhläufer im Team sein. Er muss die merkwürdigsten und ausgefallensten Bewegungen auf dem Eis machen. Feldspieler fahren vorwärts, rückwärts oder einen Bogen. Als Torwart klappt das nicht.“ Um für das Torwartspiel ein Verständnis zu bekommen, motiviert „Litti“ schon früh die Kids dazu, es auch mal selbst im Tor zu versuchen. „Das bringt auch dem Feldspieler was für sein eigenes Spiel“, so der Torhüter-Coach.
Der Kampf um die Plätze
Eine weitere Schwierigkeit im Leben eines Goalies ist, dass es mit Abstand die wenigsten Plätze für seine Position im Team gibt. Das ist in gewisser Weise für die Trainer und Manager die Quadratur des Kreises, denn auch wenn es im Spiel nur einen Mann zwischen den Pfosten geben kann, so will man im Training doch drei oder manchmal sogar vier Torleute haben. Die Schwierigkeit für die Goalies ist dabei, das richtige Team in der richtigen Liga zu finden. Das beginnt schon in jungen Jahren. Der Nachwuchs ist zwar grundsätzlich in Altersklassen eingeteilt, doch talentierte Spieler und Schlussmänner können hier schon mal eine Altersklasse überspringen und eine Stufe höher spielen. Man nennt sie deshalb auch Hochspieler. So war es auch bei Florian Bugl, der als 15-Jähriger sogar zwei Altersklassen übersprungen hat und in der U18 der RB Hockey Akademie auflief. Er berichtet: „In Salzburg hat das ganze Team hochgespielt.“ Manchmal kommt man auch durch Umstände, die man selbst nicht beeinflussen kann, nach oben. Bugl erinnert sich: „Man braucht hin und wieder auch ein bisschen Glück. Ich durfte einmal hoch, weil ein Spieler die Akademie verlassen hat.“ Manchmal muss man auch etwas nachhelfen. Florian weiter: „Wenn man die Intention hat, sich weiterbilden zu wollen, schadet es auch nicht, mal auf den Trainer zuzugehen und nachzufragen.“ Doch für alle Nachwuchscracks gilt das, was Manuel Litterbach sagt: „Man muss erstmal dem Druck standhalten. Das geht für ein oder zwei Spiele schon mal, aber als Starter musst du Spieltag für Spieltag abliefern. Außerdem muss man auch als Coach gut aufpassen, denn man kann einen Goalie, der im falschen Team ist, auch schnell ‚verheizen‘. Wenn ein junger Torhüter einmal mental geknickt ist, ist es ziemlich schwer, ihn wieder aufzubauen.“
Nichts ersetzt die Spielpraxis
Einen jungen Sportler gezielt aufzubauen und ihn Schritt für Schritt auf dem Weg zum Profi zu unterstützen, ist mitunter eine diffizile Angelegenheit. Manuel Litterbach: „Hinter dem, was du mit einem jungen Torhüter machst und wie er aufgebaut wird, steht ein spezieller Plan. Die jungen Torhüter brauchen vor allem Spielpraxis. Für sie ist es ein steiniger Weg. Sie müssen lernen, das Spiel auch mental zu verkraften. Wenn der Stürmer einen Fehler macht, ist der Verteidiger noch da. Wenn der Verteidiger einen Fehler macht, ist der Tormann noch da. Aber wenn der Tormann einen Fehler macht, schauen alle auf ihn. Im schlimmsten Fall hast du das ganze Stadion gegen dich. Mit diesem Druck muss man lernen, umzugehen.“ Flo Bugl weiß: „Spielpraxis ist für einen jungen Torwart das Wichtigste. Aber schon alleine, wenn man mit den Profis trainiert, ist das toll und bringt einem unwahrscheinlich viel. Aber kein Training kann ein richtiges Spiel ersetzen.“
Vom spielerischen Spaß entwickeln sich Training und Inhalte immer weiter. Litterbach erklärt: „Ab der U13 setzt das Verständnis für torwartspezifisches Eislaufen und Arbeiten ein. Davor wird der Puck gehalten, egal wie.“ Auch Flo Bugl nahm das so wahr und sagt: „Den Unterschied von der U14 zur U16, den merkt man schon deutlich. Da ist das Training schon anders strukturiert und es geht auch mehr um den Spielaufbau. Im Training bekommt man sicher mehr Tore, weil die Spieler auch anders denken. Das habe ich auch gemerkt, wie ich von Salzburg nach Straubing gekommen bin. Man merkt jede Liga. In jeder Liga haben die Spieler andere Skills und andere Erfahrungen. Je höher die Liga, desto mehr versuchen die Spieler den Torwart auszutricksen.“
Wer runter geht, macht nichts falsch
In vielen Penny DEL-Clubs findet man ab dem dritten Goalie meist sehr junge Torhüter, die nur durch Verletzungen der Stammkräfte auf den Spielberichtsbogen rücken. Das sind oft Torhüter aus einer eigenen Nachwuchsmannschaft oder junge Spieler vom jeweiligen Kooperationspartner. Verfolgt man deren Werdegang, findet man sie später nicht selten einige Ligen tiefer wieder. Ein normaler Weg ist, dass man versucht so hoch wie möglich zu trainieren und sich dann in der für sich passenden Liga Spielpraxis holt. Litterbach erklärt: „Das ist nichts Schlechtes, wenn man einen jungen Spieler in der Liga runterschickt. Man will ihn ja fördern, damit er dort Spielpraxis bekommt und sich dort entwickeln kann. Wenn er den nächsten Schritt gemacht hat, kann man ihn wieder hochholen und schauen, wie er sich entwickelt hat. Und wenn es noch nicht passt, dann schickt man ihn nochmal ein Jahr runter.“ Ob man in der richtigen Liga ist, merken Goalies meist selbst. Bugl beschreibt es so: „Rausfinden kann man das für sich selbst, wenn man oben mittrainiert und mitspielt und sich dabei gut fühlt. Man fühlt sich nicht überfordert, das Tempo ist gut und man merkt es auch am eigenen Spielverständnis.“ Mit zunehmendem Alter wird es aber schwieriger. So sind zum Beispiel Förderlizenzen an ein Alter geknüpft. Wer dann keinen PENNY DEL-Vertrag mehr bekommt, muss sich zwangsläufig nach unten orientieren. Der Weg, wieder nach oben zu kommen, ist jedoch nicht leicht. Manuel Litterbach entgegnet: „Aber es ist nicht unmöglich. Wenn du dich mit 24 oder 25 in der Oberliga beweist, kannst du vielleicht nach zwei, drei Jahren in die DEL2. Aber ja, es ist schwierig.“
Gute Zusammenarbeit
Einiges hängt also vom Alter ab. Besonders in der Übergangszeit von den Junioren zu den Senioren ergeben sich viele Möglichkeiten, sprich Ligen. Und doch muss vieles zusammenpassen. Der Goalie-Coach sagt dazu: „Es kommt auch darauf an, wer der Kooperationspartner des Clubs ist. Viele PENNY DEL-Mannschaften haben zum Beispiel keinen Kooperationspartner in der Oberliga. Man muss abwägen, wie fit der Tormann körperlich ist, wie stark er mental ist, wie groß sein Wille ist. Wenn dein Kooperationspartner keinen Torwarttrainer hat, dann bringt es wenig, einen jungen Torwart dorthin zu schicken.“ Hier passt mit Landshut und Straubing sehr viel zusammen. Sowohl Straubing als auch Landshut haben mit Hunter Miska und Sebastian Vogl einen erfahrenen Stammgoalie und mit Manuel Litterbach und Dimitri Pätzold je einen Torwarttrainer. Auch Gespräche mit erfahrenen Goalies helfen den Jüngeren, sich zu verbessern. Flo Bugl, der gebürtige Landshuter, erinnert sich an seine Anfänge, als er noch im Landshuter Nachwuchs spielte und auch Vogl in Diensten der Drei-Helme-Stadt stand: „Ich habe früher Sebastian Vogl immer zugeschaut. Dass ich ihn jetzt so kennenlerne, hätte ich mir damals nie gedacht. Und jetzt trainiere und spiele ich mit ihm zusammen. Ich kann ihm viele technische Fragen stellen und auch Hunter gibt mir stets viele Tipps.“ Darum ist auch Litterbach der Meinung: „Was wir in dieser Saison hier aufstellen, hat Hand und Fuß. Wir arbeiten mit drei jungen Torhütern und schauen, dass sich jeder weiterentwickelt und dass unsere zwei Youngster genug Spielpraxis in der U20 und DEL2 bekommen. Wichtig ist, dass die jungen Torleute, die man im Kader hat, bereit sind, wenn es drauf ankommt. Dann müssen sie Leistung bringen.“ Wobei man das „bereit sein“ nicht lernen kann. Manuel Litterbach zeigt es auf: „Entweder man ist es oder man ist es nicht. Du musst vom ersten bis zum letzten Saisontag so trainieren, als ob du jedes Mal im Line-Up stehen würdest. Und wenn dein einziges Spiel in der Saison das siebte Spiel im Finale ist, muss der Torwart performen. Wenn ihm das gelingt, haben Club und Trainer alles richtig gemacht.“
Welcher Torwart wann und wo zum Einsatz kommt, hängt also an vielen unterschiedlichen Faktoren und ist letzten Endes eine Gemeinschaftsentscheidung, erklärt Manuel Litterbach: „Wer wo zum Einsatz kommt, entscheiden wir in Straubing in einer Trainerrunde. Wir wissen, was bei uns in Straubing und was in Landshut ansteht. Es gibt in jeder Woche Kontakt zwischen den beiden Headcoaches, dabei wird auch darüber gesprochen. Wir arbeiten da alle sehr eng zusammen und wollen junge Eishockeyspieler fördern.“
Autor: Armin Holl-Wagner